Dynamische Strompreise

Seit die ersten Stromnetze im 19. Jahrhundert in Betrieb gegangen sind, hat die Last des Stromverbrauchs tageszeitlich geschwankt. Die ersten strom-produzierenden Kraftwerke waren Wärmekraftwerke, die im sog. Lastfolgebetrieb gelaufen sind. Das heißt, man hat die Kraftwerke so weit aufgedreht, wie Strom benötigt wurde. Dies hatte zur Folge, dass man alle Kraftwerke im meist nicht optimalen Drehzahl- und Wirkungsgrad-Bereich fahren musste.

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Kohlekraftwerk Anfang des 19. Jahrhunderts im Lastfolgebetrieb (Bild Verkaufskarton Wilesco-Spielzeugdampfmaschine)

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat man mit steigendem Strombedarf verstärkt Grundlastkraftwerke gebaut (Braunkohle und AKW), sie durch Spitzenlastkraftwerke (Gas und Steinkohle) ergänzt und somit eine Arbeitsteilung eingeführt. Gleichzeitig hat man den Strompreis nachts und tagsüber gestaffelt: Billiger Strom nachts, teurer Strom tagsüber, um möglichst viele günstige Grundlastkraftwerke auslasten zu können. Man hat die Industrie und die Verbraucher ermutigt, nachts besonders viel Strom zu verbrauchen. Viele Nachtspeicherboiler sind aus dieser Zeit in Privathäusern bis heute in Betrieb. Es wurden nachts energie- und wenig arbeitsintensive Prozesse in die Nacht verlegt, z. B. große Kühlhäuser heruntergekühlt.

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Kernkraftwerk Isar II mit seiner charakteristischen Rauchsäule im Dauerbetrieb aus 40 km Entfernung. Es hat 35 Jahre lang bis auf 7% Stillstandszeiten für Wartung kontinuierlich Grundlast-Strom erzeugt. Die Rauchsäule entsteht durch 2,5 Gigawatt thermische Verlustleistung.

Dieses Konzept muss nun geändert werden, da mit der Zunahme von Erneuerbaren Energien die klassischen Grundlastkraftwerke nicht mehr mit der schwankenden Produktion von Wind und Sonne kombinierbar sind. Stattdessen muss man mehr Spitzenlastkraftwerke bauen, die dann ggfs. auch Strom für die sog. Dunkelflaute - Zeiten mit kaum Wind- und Sonnenstrom - bereitstellen.

Auf der Seite der Preisgestaltung für die Stromverbraucher macht mittlerweile die Aufteilung in Tag- und Nachtstrom keinen Sinn mehr. Vor allem im Sommer steht nun der Strom mittags in großer Menge zur Verfügung, während in der Nacht die teuren Wärmekraftwerke angeworfen werden müssen. Um das Jahr 2000 herum begann man, Strom stundenweise zu handeln. Die Börsenstrompreise steigen in einzelnen Spitzenstunden auf 15 Cent/kWh und fallen bei großem Angebot von Wind- und Sonneneneregie auf 0 Cent oder sogar darunter. Man muss dann "Strafe zahlen", wenn man Strom ins Netz einspeist. Strom wird so zu Müll, für dessen Entsorgung man bezahlen muss.

In Deutschland müssen ab dem 1.1.2025 alle Stromanbieter sogenannte Dynamische Stromtarife anbieten, die sich am stündlichen Börsenstrompreis orientieren. Da jedoch mehr Steuern, Abgaben und Gebühren für Strom bezahlt werden müssen als was die Produktion an der Strombörse kostet, und diese zusätzlichen Kosten fix sind, wird nur ein kleiner Teil des Preises dynamisiert und für den Endverbraucher wird der Anreiz gering sein, sich netzdienlich beim Stromverbrauch zu verhalten. Das "Diskussionspapier zur Senkung der Strompreise sowie der Dynamisierung von Abgaben und Verwaltungskosten im Rahmen dynamischer Strompreise" beschäftigt sich mit der Frage, warum die Steuern und Abgaben auf Strom im Vergleich zu fossilen Brennstoffen insgesamt zu hoch sind und wie man die Strompreise künftig netzdienlich gestalten könnte.

Diskussionspaper Dynamische Netzentgelte (PDF 9 Seiten)

Sowohl die Bundesnetzagentur als auch die Enquete-Kommission der Bundesregierung Energieversorgung hat die Dynamisierung der Netzentgelte angemahnt. Das Paper zeigt, wie man dies konkret ausgestalten könnte.