Eisenbahn- und Straßenplanung Laufen


Eisenbahn- und Straßenplanung Laufen (Oberbayern)

Laufen liegt am nördlichen Rand des Landkreises Berchtesgadener Land und grenzt an Oberndorf in Österreich. Der Ort liegt an zwei Nord-Süd-Verkehrsadern, die beide von Freilassing nach Tittmoning entlang Westseite der Salzach verlaufen.

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Lage von Laufen zwischen Tittmoning und Freilassing
mit den Verkehrswegen Straße (orange) und Bahn (schwarz)
(Kartengrundlage: Bayernatlas Amtliche Topographische Karte)

Die nur eingleisige nicht elektrifizierte Eisenbahn wurde als Zulauf zur Tauerneisenbahn Anfang des 19. Jahrhunderts gebaut, früher einmal vom Orient-Express befahren und ist mittlerweile für den zweigleisigen Ausbau im Bundesverkehrswegeplan Vordringlicher Bedarf ausgewiesen. Sie soll hierbei eine Doppelrolle übernehmen: Zum einen für dem schnellen Personenverkehr von München nach Salzburg und weiter nach Wien sowie für den Güterverkehr als Bindeglied zwischen dem "Ostkorridor" Bremen/Hamburg - Leipzig - Hof - Regensburg - Mühldorf und der mittlerweile weitgehend fertig ausgebauten Tauerneisenbahn Salzburg - Villach - Triest.

Die Bundesstraße B 20 verbindet Tschechien und den Bayerischen Wald über den Gäuboden mit dem Chemiedreieck Burghausen und dem Berchtesgadener Land. Sie ist in Teilabschnitten ebenfalls zum Ausbau vorgesehen. Im Bereich Laufen wird unter der Bezeichnung "B 20 Ortsumgehung Laufen" eine Neutrassierung geplant. Für diese wurden 5 Varianten diskutiert:

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Die verschiedenen Trassenvarianten (dick rot: Variante 2a)
Schwarz: Bestehende Eisenbahnstrecke
(Karte Straßenbauamt Traunstein, Kartengrundlage Amtliche Topographische Karte)

Der Bund ist sowohl für die im Eigentum des Bundes befindliche Eisenbahn als auch für die Bundesstraße verantwortlich und beide Projekte sind im Bundesverkehrswegeplan für den Ausbau vorgesehen. Trotzdem war es bislang nicht möglich, eine Koordination von Eisenbahn- und Straßenplanung durchzuführen. Alle hier dargestellten Studien der VIEREGG-RÖSSLER GmbH beschäftigen sich mit der Eisenbahn- und der Straßenplanung sowie der fehlenden Abstimmung der zuständigen Behörden untereinander.

Obwohl das Straßenbauamt mit der "Variante 1" (später in optimierter Form als "Variante 5") eine tatsächlich naheliegende Bündelungs-Trasse von Straße und Schiene vorschlug und der Bahnausbau schon seit 1985 im Bundesverkehrswegeplan ausgewiesen war, sträubte sich die Bahn, eine gemeinsame Planung durchzuführen. Stattdessen wurde im Sinne einer Abwehrhaltung behauptet, die Verlegung der Eisenbahn - wohlgemerkt 1 Gleis, nicht elektrisch, auf einer Länge von 1600 m) würde 45 Mio EUR kosten. Eine spätere Berechnung der VIEREGG-RÖSSLER GmbH nach den amtlichen Berechnungsgrundlagen DB-Kostenkennwertekatalog sowie ABBV (Ablösungsbeträge-Berechnungsverordnung) ergab einen Betrag von 3,17 Mio EUR. Auf Basis der Mehrkosten 45 Mio EUR (bei Projektkosten in der Größenordnung von damals 10 bis 20 Mio EUR) hat man dann im Jahr 2008 mit Abschluss des Linienfindungsverfahrens die gebündelten Varianten 1 und 5 fallengelassen und auf die frei trassierte "Naturland-Trasse" 4 umgeschwenkt. Die Trassenwahl beruht somit auf einer Fehlkalkulation um Faktor 14 für die Kosten der Gleisverlegung. Die Gesamtkosten von Variante 5 wurden mit 51,8 Mio EUR beziffert. Setzt man die korrekten 3,17 Mio EUR statt der 45 Mio EUR für die Gleisverlegung ein, so wäre Variante 5 mit 10,0 Mio die mit Abstand kostengünstigste Variante gewesen.

Da die 3,17 Mio EUR Kosten auf einer fiktiven Annahme beruhen, dass es keine Ausbauplanung gibt, sondern nur ein Ersatz für die heutige Bahnanlage herzustellen ist, ist der Kostenvergleich sogar noch ungünstig dargestellt: Denn wenn die Bahnstrecke ohnehin neu gebaut werden muss, dann kann eine Verlegung sogar Bauzustände vereinfachen. Es ist also durchaus möglich, dass die Straßenplanung für das Bahnprojekt Bahnausbau ABS 38 zu gar keinen Mehrkosten oder sogar zu Kosteneinsparungen führt. Ein gemeinsam geplanter und gebauter Verkehrsweg Schiene-Straße ist grundsätzlich kostengünstiger als Planung und Bau zweier separater Projekte.

Was im Raum Laufen fehlt, ist eine gemeinsame Trassenplanung von Straße und Schiene aus einer Hand. Dieses Manko wiegt umso schwerer, als der Gesetzgeber das Vorgehen einer gemeinsamen Planung in § 78 VwVfG (Verwaltungsverfahrensgesetz) sogar explizit vorschreibt:

§ 78 Zusammentreffen mehrerer Vorhaben
(1) Treffen mehrere selbständige Vorhaben, für deren Durchführung Planfeststellungsverfahren vorgeschrieben sind, derart zusammen, dass für diese Vorhaben oder für Teile von ihnen nur eine einheitliche Entscheidung möglich ist, und ist mindestens eines der Planfeststellungsverfahren bundesrechtlich geregelt, so findet für diese Vorhaben oder für deren Teile nur ein Planfeststellungsverfahren statt.

In diesem Fall sind sogar beide Vorhaben "bundesrechtlich geregelt". Es handelt sich somit um einen sehr schweren Fall von Staats- bzw. Verwaltungsversagen.

In den letzten zwei Jahren wurde die Straßenplanung (Variante 4) vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof 8. Senat verhandelt. Das Verfahren beschäftigte sich in erster Linie mit Verfahrensfragen, insbesondere der Klageberechtigung der Kläger, der Qualifikation der Gutachter oder eher absurden Fragestellungen wie der Gültigkeit des Bundesverkehrswegeplans im Internet auf der Seite http:www.bvwp-projekte.de . Inhaltlich wurde nicht auf die Sachargumente der Kläger eingegangen. Insbesondere das Thema des fehlerhaften Ansatzes von 45 Mio EUR für die Verlegungskosten und somit die Grundlage der Variantenauswahl wurden gar nicht behandelt, obwohl sie in der Antragsschrift der Kläger ausführlich dargelegt wurde. Auch wurde der Verweis auf § 78 VwVfG weggewischt, unter anderem mit dem Verweis, dass die beiden Projekte, vor allem die in 500 m Entfernung gewählte Variante 4, nicht exakt räumlich zusammenfallen würde und lediglich an zwei Stellen die Bahnstrecke kreuzt - was jedoch zweifelsfrei nicht im Sinne des Gesetzes ist. Vielmehr dient das Gesetz auch der Planung von zwei Verkehrswegen, die sich nur kreuzen und nicht zwangsläufig exakt parallel zueinander verlaufen, aber die Variantendiskussion sinnvollerweise nur gemeinsam geführt werden kann.

Insgesamt hat die Gerichtsverhandlung im 8. Senat deutlich den Anschein eines "Abgekarteten Spiels" zwischen den Befürwortern der Variante 4 (Bayerische Landesanwaltschaft) und dem 8. Senat erweckt. Diese Vermutung wird durch den Sachverhalt unterstützt, dass beide eigentlich voneinander unabhängigen Institutionen, nämlich die Bayerische Landeswanwaltschaft als "Anwalt der Angeklagten" und der 8. Senat als "Richter" dieselbe Postanschrift haben (München Ludwigstr. 23). Aktuell wird der Gang zum Bundesverwaltungsgericht nach Leipzig geprüft.

Aktueller Sachstand der Gerichtsverfahren

Insgesamt hat die Gerichtsverhandlung im 8. Senat den Anschein erweckt, dass das Ergebnis von vornherein feststand und formelle Gründe gesucht wurden, um sich nicht inhaltlich mit den Einwendungen auseinandersetzen zu müssen. Die Kläger, existenzgefährdete Landwirte sowie ein Dressurpferdesportzentrum, haben gegen die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingelegt. In einem ersten Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht im Juni 2024 die Revision wegen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung bereits zugelassen. Mehrere Nichtzulassungsbeschwerden existenzgefährdeter Landwirte sind noch beim Bundesverwaltungsgericht anhängig. Eine Entscheidung, ob auch hier die Revision zugelassen wird, steht noch aus. Bei einem weiteren Urteil gegen den Dressurpferdesportbetrieb aus Biburg steht derzeit ebenfalls noch die schriftliche Urteilsbegründung aus.

Die Abstimmung der Planung wird aktuell auch noch dadurch erschwert, dass noch nicht klar ist, ob der Bereich Laufen für 160 km/h und 3-gleisig oder für 200 km/h und 4-gleisig ausgebaut werden soll. Die aktuellen Bahnpläne sehen eine Höchstgeschwindigkeit von lediglich 160 km/h vor. Denn es wird erwogen, dass von Mühldorf nach Linz eine Neubaustrecke für 250 bis 300 km/h gebaut werden soll. In diesem Fall wäre dann die Route über Laufen für den schnellen Personenfernverkehr nicht so bedeutend, obwohl bei nur 160 km/h der Integrale Taktfahrplan zwischen München und Salzburg nicht vernünftig umsetzbar ist: So würde aufgrund einiger Minuten zu langer Fahrzeiten (3. Entwurf des Deutschland-Taktes) die Weiterfahrt in Richtung Paris eine Wartezeit in München von 65 Minuten erfordern. Eine Planung gleich für 200 km/h wäre auf jeden Fall "aufwärtskompatibel", denn ohne Realisierung der Neubaustrecke Mühldorf - Linz müsste sonst die Bahnstrecke Mühldorf - Freilassing nachträglich wieder umgebaut werden.

Die Wahl der planfestgestellten Trasse beruht daher auf dem fehlerhaften Ansatz der Gleisverlegungskosten. Die Trasse verstößt gegen das Bündelungsgebot, zerschneidet bislang unberührte Natur, nimmt wertvolle Acker- und Grünlandflächen in Anspruch und führt zur Existenzgefährdung mehrerer landwirtschaftlicher Betriebe. Eine Bündelung mit der Bahntrasse wäre aus diesen Gründen erforderlich und im Übrigen deutlich kostenschonender gewesen.

Skizzierung einer Bündelungs-Trasse von Schiene und Straße in Einschnittslage

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Führung von Eisenbahn und Straße im Einschnitt auf bestehendem Bahngrund

Vorschlag für eine kombinierte Planung von Eisenbahn und Bundesstraße 20 in Laufen mit Bündelung und Tieferlegung der zwei Verkehrswege

Kurzfassung und Langfassung (incl. Kurzfassung)
http://www.vr-transport.de/archiv/VR-Vorschlag-Tieferlegung-Laufen-Kurzfassung-120219.pdf
http://www.vr-transport.de/archiv/VR-Vorschlag-Tieferlegung-Laufen-120219.pdf

Gutachterliche Stellungnahmen für das Gerichtsverfahren

Gutachterliche Stellungnahme zum Feststellungsentwurf Ortsumgehung Laufen 1. Tektur vom 19.06.2017, u.a. mit der Erläuterung der fehlerhaften 45 Mio EUR Verlegungskosten
http://www.vr-transport.de/archiv/Laufen/VR-Laufen-Stellungnahme-PF-14-12-20.pdf

Lageplan der Fiktivvariante (Verlegung der Bahn ohne ABS 38 als reiner Ersatz)
http://www.vr-transport.de/archiv/Laufen/Fiktiv-Lageplan-Variante5.pdf

Zweite Stellungnahme Anwaltschaft (Anwaltschaft = Anwälte des Beklagten = Befürworter Variante 4)
"Zweite Gutachterliche Stellungnahme zum Schriftstück der Landesanwaltschaft Bayern wegen fernstraßenrechtlicher Planfeststellung (B20 Ortsumfahrung Laufen)"
http://www.vr-transport.de/archiv/Laufen/VR-Laufen-2te-Stellungnahme-Anwaltschaft-15-12-2021.pdf

Kostenschätzung der diskutierten Varianten
http://www.vr-transport.de/archiv/Laufen/VR-Laufen-Kostenschaetzung-2a-5.pdf

Weitere Stellungnahmen zu Schriftstücken der Anwaltschaft:
http://www.vr-transport.de/archiv/Laufen/VR-Laufen-Stellungnahme-Anwaltschaft-05-07-21.pdf
http://www.vr-transport.de/archiv/Laufen/VR-Laufen-Stellungnahme-Anwaltschaft-1-2-2023.pdf
http://www.vr-transport.de/archiv/Laufen/VR-Laufen-Stellungnahme-PF-Ergaenzung-gesamt.pdf