Einsparpotentiale bei Schienen-Großprojekten durch eine Modifikation der Planung

Auftraggeber: Prof. Karl-Dieter Bodack, Gröbenzell, 12. Juli 2006

Studie über Einsparpotentiale bei Schienen-Großprojekten liegt als PDF-Datei vor (214 kB)

Gliederung der Studie:




Problemstellung

In Deutschland sind zahlreiche Eisenbahn-Großprojekte sowie eine Transrapid-Strecke in München geplant. Die Finanzierung dieser Projekte ist wegen der äußerst angespannten Finanzlage des Bundes keineswegs gesichert. Deshalb werden die jährlichen Investitionsraten für einzelne Vorhaben teilweise über einen relativ langen Zeitraum stark gestreckt, so daß sich die Realisierung weit in die Zukunft verschiebt. So weist der Bundesverkehrswegeplan 2003 auch nur die Beträge aus, die bis 2015 in des jeweilige Projekt zu investieren sind, ohne daß das Jahr 2015 gleichbedeutend mit dem Zeitpunkt der Fertigstellung ist.

Erschwerend kommt hinzu, daß bei vielen Projekten die tatsächlichen Kosten wesentlich höher liegen als bislang angegeben, weil zum Beispiel absehbare geologische Risiken bei Tunnelbauwerken nicht angemessen berücksichtigt sind und weil bei den meisten Projekten veraltete, teilweise sogar 15 Jahre alte Preisstände zugrunde gelegt werden.

Langfristig betrachtet, besteht die Gefahr, daß der Bundeshaushalt erneut durch diese Projekte belastet wird, und zwar durch die anfallenden substanzerhaltenden Instandhaltungen bzw. Reinvestitionen in diese Bahnstrecken, die wegen ihrer zu geringen eigenwirtschaftlichen Basis gar nicht bzw. nur zu einem kleinen Teil in der Bilanz der DB AG enthalten sind. Diese erneuten Zahlungsverpflichtungen des Bundes dürften voraussichtlich ab 2030 relevant werden.

Es erscheint somit angebracht, zunächst die tatsächlichen Gesamtkosten der betreffenden Projekte mit Preisstand des Jahres 2006 zu ermitteln und sodann nach Möglichkeiten zu suchen, diese extrem hohen Investitionskosten zu reduzieren, aber ohne den Nutzen des Projektes zu schmälern. Dadurch wird nicht nur der Bundeshaushalt entlastet, sondern auch der Realisierungszeitraum für jedes Vorhaben läßt sich stark verkürzen.

Die VIEREGG-RÖSSLER GmbH sieht aufgrund ihrer langjährigen Beschäftigung mit Eisenbahn-Planungen bei sieben Großprojekten erhebliche Einsparpotentiale, wenn die bisherigen Pläne mit dem Ziel einer starken Kostenreduzierung bei gleichbleibendem oder sogar verbessertem Nutzen modifiziert werden. Hierfür hat die VIEREGG-RÖSSLER GmbH im Rahmen verschiedener Aufträge zum Teil schon erhebliche Vorarbeiten durchgeführt, beispielsweise Trassenpläne im Maßstab 1:25.000 in Grund- und Aufriß angefertigt, die somit in etwa Raumordnungs-Qualität besitzen.

Diese sieben Großprojekte sind:

(1) Ausbaustrecke Berlin - Dresden

(2) Neubaustrecke Erfurt - Leipzig/Halle

(3) Neu- und Ausbaustrecke Nürnberg - Ebensfeld - Erfurt

(4) Stuttgart 21 incl. Neubaustrecke Stuttgart - Ulm bis Wendlingen

(5) Neubaustrecke Stuttgart - Ulm ab Wendlingen

(6) Zweiter S-Bahn-Tunnel München

(7) Transrapid München Hauptbahnhof - Flughafen München.

Die Modifikation der genannten Projekte betrifft insbesondere

oder umfassen Im folgenden werden die möglichen Einsparungen bei den 7 Projekten dargestellt. Im Anschluß daran wird für jedes Vorhaben beschrieben, wie es sich modifizieren läßt, um eine Kostenreduktion zu erreichen. In der Anlage findet sich für jedes Projekt eine kurze Erläuterung zur Verfahrensweise der Kostenermittlung.

Tabellarische Übersicht: Kosten und Einsparpotentiale bei Schienen-Großprojekten durch eine Modifikation der Planung


Kosten bisheriges Kosten Projekt* nach Projekt- Einsparung bislang aktuali- Modifi- durch veran- siert kation* Modifikation Projekt-Bezeichnung schlagt absolut pro= Mrd Mrd Mrd Mrd zentual --------------------------------------------------------------------------

1 ABS Berlin - Dresden 0,8 1,6 0,8 0,8 50%

2 NBS/ABS Erfurt - Leipzig/Halle 1,9 3,0 0,5 2,5 83%

3 ABS/NBS Nürnberg - Ebensfeld - Erfurt 3,1 4,9 1,6 3,3 67%

4 Stuttgart 21 2,6 5,5 1,1 4,4 80% incl. NBS Stuttgart - Wendlingen (- Ulm)

5 NBS (Stuttgart -) 1,5 4,6 1,2 3,4 74% Wendlingen - Ulm

6 Zweiter S-Bahn-Tunnel München 1,5 1,5 0,5 1,0 67%

7 Transrapid München Hbf - Flughafen München 1,6 3,6 0,4 3,2 89%

-------------------------------------------------------------------------- Summe 13,0 24,7 6,1 18,6 75%

ABS: Ausbaustrecke NBS: Neubaustrecke * Kosten abzüglich bereits investierter Beträge

Wenn man eine Aktualisierung der Projektkosten vornimmt, so erhöht sich die Summe der Investitionen gegenüber den bisher ausgewiesenen Beträgen von rund 13 Mrd auf fast 25 Mrd . Nach einer Modifikation jedes einzelnen Infrastruktur-Vorhabens fallen hingegen lediglich Gesamtkosten von rund 6 Mrd an. Dies bedeutet ein Einsparvolumen von 75%, gemessen an den aktualisierten Kosten.


Projekt 1: Ausbaustrecke Berlin - Dresden

Bisher geplant ist der Ausbau der 2-gleisigen Bahnstrecke Berlin - Dresden über Zossen und Elsterwerda ("Dresdner Bahn"). Dieses Projekt beinhaltet den Neubau von zwei zusätzlichen Gleisen von Berlin-Südkreuz bis zum Berliner Außenring (voraussichtlich mit teilweiser unterirdischer Trassenführung in Berlin-Lichtenrade) sowie die Sanierung, Modernisierung und Begradigung der bestehenden Strecke für eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h ab dem Berliner Außenring bis Coswig bei Dresden.

Als Modifikation wird vorgeschlagen, die parallel zur Dresdner Bahn verlaufende Bahnstrecke über Jüterbog - Falkenberg - Riesa zu nutzen: Der Abschnitt von Berlin-Südkreuz bis Jüterbog ("Anhalter Bahn") wurde als Teil des Verkehrsprojekts 8.3 (Berlin - Halle/Leipzig) bereits für eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h ausgebaut, aber dient lediglich den im Stundentakt verkehrenden ICE-Zügen Berlin - Leipzig sowie einer RegionalExpress-Linie; die anschließende, sehr geradlinige Trasse über Falkenberg (Elster) bis Riesa läßt sich für eine Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h ertüchtigen; im weiteren Verlauf kann die als Teil des Verkehrsprojekts 9 (Leipzig - Riesa - Dresden) bereits im Ausbau befindliche Strecke Riesa - Coswig (Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h) verwendet werden. Anstatt auf rund 150 km Länge eine zweigleisige Bahnstrecke für 200 km/h auszubauen, wie bisher geplant, beträgt die Ausbaulänge beim modifizierten Projekt nur rund 80 km. Aufgrund der Geradlinigkeit der vorhanden Trasse über Falkenberg sind hier im Gegensatz zur Dresdner Bahn keinerlei Begradigungen erforderlich.

Damit auch ohne Ausbau der Dresdner Bahn auf Berliner Stadtgebiet der Airport-Express zum Flughafen BBI optimal verkehren kann, ist bei Großbeeren der Bau einer großzügig trassierten Verbindungskurve von der Anhalter Bahn zum Berlin Außenring und ein abschnittsweiser 4-gleisiger Ausbau des Berliner Außenrings notwendig.

Dadurch verlängert sich zwar die Strecke um 10 km gegenüber der bisherigen Planung, aber aufgrund der technisch möglichen höheren Geschwindigkeit beträgt die Fahrzeitverlängerung gegenüber der direkten Strecke über Berlin-Lichtenrade mit enger Kurve bei Mahlow nur 3 Minuten (bei 160 km/h Höchstgeschwindigkeit) bzw. 2 Minuten (bei 200 km/h Höchstgeschwindigkeit). Die theoretische Leistungsfähigkeit der Anhalter Bahn zwischen Südkreuz und Außenring liegt bei 18 Zügen pro Stunde und Richtung; diese wird selbst bei einem 15-Minuten-Takt des Airport-Express (= 4 Züge pro Stunde und Richtung) bei weitem nicht ausgeschöpft, selbst wenn 2 RE-/RB-Linien jeweils im 30-Minuten-Takt (= 4 Züge pro Stunde und Richtung) plus zwei ICE-Linien jeweils im Stundentakt (= 2 Züge pro Stunde und Richtung) verkehren, was in der Summe lediglich 10 Züge pro Stunde und Richtung bedeutet.


Projekt 2: Neubaustrecke Erfurt - Leipzig/Halle

Die bisherige Planung beinhaltet den Neubau einer 2-gleisigen Bahnstrecke für eine Höchstgeschwindigkeit von 250 bis 300 km/h von Erfurt bis Wiederitzsch (nördlich Leipzig) mit einer Verbindungskurve bei Halle-Ammendorf zur Bahnstrecke in Richtung Halle (Saale) Hbf. Bereits fertiggestellt ist der kurze, bautechnisch relativ einfache Streckenabschnitt Gröbers - Flughafen Leipzig/Halle - Wiederitzsch, der einen eigenständigen Verkehrswert besitzt, nämlich für die Städteverbindung zwischen Halle und Leipzig sowie zur Anbindung des Flughafens Halle/Leipzig. Dagegen wurde im bautechnisch schwierigen, tunnel- und brückenreichen Streckenabschnitt von Erfurt bis Gröbers, der aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes stark umstritten ist, mit den Bauarbeiten noch nicht begonnen.

Die bestehende Bahnlinie von Erfurt über Naumburg nach Leipzig und Halle verfügt über relativ große Kurvenradien, die bei Einsatz von ICE-Zügen mit Neigetechnik (ICE-T) fast durchgehend eine Geschwindigkeit von 200 km/h ermöglichen. Es wird deshalb vorgeschlagen, diese bereits weitgehend sanierte und modernisierte Bestandsstrecke mit ihren beiden Streckenästen von Großkorbetha nach Leipzig und Halle für den Einsatz von Neigezügen für bis zu 230 km/h zu ertüchtigen. Falls erforderlich, kann im stärker frequentierten Mittelabschnitt Großheringen - Großkorbetha (Länge: 36 km) ein drittes Gleis gebaut werden, das bis zur deutschen Wiedervereinigung bereits abschnittsweise vorhanden war.

Die Fahrzeitverlängerung durch diese modifizierte Linienführung gegenüber der geplanten Neubaustrecke beträgt zwar 5 Minuten in der Relation Erfurt - Leipzig und 10 Minuten in der Relation Erfurt - Halle. Aber die Nutzung der bestehenden Strecke hat neben der drastischen Baukosten-Reduktion (siehe Übersicht "Kosten und Einsparpotentiale...") den entscheidenden Vorteil, daß die bisherigen ICE-Halte Weimar und Naumburg weiter im bisherigen Umfang aufrechterhalten werden können, während die geplante Neubaustrecke weit abseits an diesen beiden Städten vorbei verlaufen würde.


Projekt 3: Aus- und Neubaustrecke Nürnberg - Ebensfeld - Erfurt

Das bisherige Projekt umfaßt den 4-Gleis-Ausbau (Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h) der vorhandenen Bahnstrecke Nürnberg - Bamberg - Ebensfeld (bei Lichtenfels) plus Neubau einer 2-gleisigen Bahnstrecke für eine Höchstgeschwindigkeit von 250 bis 300 km/h von Ebensfeld bis Erfurt. Bereits im Bau ist der relativ kurze, bautechnisch eher einfache Nordabschnitt ab dem Wümberg (östlich Ilmenau) bis Erfurt, der weitgehend mit der Autobahn A71 gebündelt ist. Im bautechnisch schwierigen, tunnel- und brückenreichen und aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes stark umstrittenen Streckenabschnitt von Ebensfeld bis zum Wümberg mit der Querung des Thüringer Waldes wurde hingegen mit den Bauarbeiten - außer punktuellen Maßnahmen - noch gar nicht begonnen. Erst recht steht der Baubeginn im Ausbauabschnitt Nürnberg - Ebensfeld noch aus.

Anstelle des geplanten Ausbaus der Strecke von Nürnberg bis Ebensfeld wird vorgeschlagen, die bestehende Bahnstrecke von Nürnberg bis Lichtenfels für den Einsatz von ICE-T-Zügen mit einer Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h zu ertüchtigen, aber ohne zusätzliche Gleise zu bauen. Der Nord-Süd-Güterverkehr, für den die geplanten zusätzlichen Gleise im wesentlichen vorgesehen sind, läßt sich betrieblich einfacher und umweltschonender auf der parallel verlaufenden und relativ flachen Bahnstrecke Nürnberg / Regensburg - Marktredwitz - Plauen - Leipzig abwickeln, deren Kapazität weitgehend brach liegt und die im Unterschied zur bestehenden Strecke über Lichtenfels und zur fraglichen Neubaustrecke aufgrund der geringen Steigungen voll güterzugtauglich ist.

Als Alternative zum kompletten Strecken-Neubau zwischen Ebensfeld und dem Wümberg bietet es sich an, ab Lichtenfels mehrere bereits vorhandene Streckenteilstücke auszubauen und die dazwischen bestehenden Lücken durch kurze, landschaftsangepaßte und somit tunnel- und brückenarme Neubauabschnitte zu schließen. Diese kombinierte Aus- und Neubaustrecke (Höchstgeschwindigkeit: 230 km/h) verläuft über Coburg, Hildburghausen, Suhl, den bestehenden Brandleite-Tunnel, Gehlberg und Ilmenau und geht auf dem Wümberg in die bereits im Bau befindliche Neubaustrecke über, so daß dieser Abschnitt vollständig genutzt werden kann. Während die bislang geplante Bahnstrecke zwischen Ebensfeld und dem Wümberg zu 60% im Tunnel oder auf Talbrücken verläuft, benötigt die Alternativtrasse in diesem Abschnitt nur auf 6% ihrer Länge derartige kostenintensive Kunstbauten.

Das bisherige Projekt enthält zwischen Coburg und Erfurt und somit auf über 80 km Länge keine einzige Verknüpfung mit dem bestehenden Eisenbahnnetz und lediglich einen äußerst umstrittenen Zwischenbahnhof in 7 km Entfernung zur Stadt Ilmenau auf dem Wümberg. Es ist damit zu rechnen, daß auf dieser 2-gleisigen Neubaustrecke tagsüber nur ein einziger ICE pro Stunde und Richtung verkehren würde, eventuell ergänzt durch einen RE- oder IRE-Zug alle 2 Stunden. Beim modifizierten Projekt wird hingegen auf eine kombinierte Nutzung von ICE- plus Regionalzügen gesetzt, wobei zwischen Suhl und Erfurt zusätzlich noch Züge der Relationen (Stuttgart -) Würzburg - Suhl - Erfurt und Meiningen - Suhl - Erfurt verkehren werden. Zusammen mit den Regionalzügen werden somit 2 bis 4 Züge pro Stunde und Richtung die modifizierte ICE-Strecke Lichtenfels - Erfurt befahren. Zugleich werden die Städte Lichtenfels, Coburg und Suhl vollständig in das ICE-Netz eingebunden, während die bisherige Planung den Halt einzelner ICE-Züge allenfalls in Coburg und auch dies nur in Tagesrandlagen vorsieht. Durch die Modifikation des Projekts wird sich die Punkt-zu-Punkt-Fahrzeit Bamberg - Erfurt zwar um 6 bis 11 Minuten verlängern, aber dies wird durch die bessere Erschließung der dazwischen liegenden Region mehrfach aufgewogen.


Projekt 4: Stuttgart 21

Bislang ist geplant, den bestehenden 16-gleisigen Kopfbahnhof incl. seiner Zulaufstrecken innerhalb des Stuttgarter Talkessels aufzulassen und durch einen 8-gleisigen Durchgangsbahnhof mit unterirdischen Zulaufstrecken zu ersetzen. Die vorhandene Abstellanlage soll auf das Gelände des ehemaligen Rangierbahnhofs Stuttgart-Untertürkheim verlagert werden. Alle ICE-Züge in Richtung Ulm, die Regional- und Fernzüge der Gäubahn (in Richtung Böblingen - Bodensee/Zürich) und die Regionalzüge in Richtung Tübingen werden über den Flughafen Stuttgart geleitet, der über eine unterirdische Neubaustrecke ("Fildertunnel") direkt mit dem neuen Hauptbahnhof verbunden ist. Die Neubaustrecke setzt sich bis Wendlingen fort, wo sie mit der bestehenden Strecke Plochingen - Tübingen verknüpft wird und als separates Projekt bis Ulm (siehe Projekt 5) ihre Fortsetzung findet.

Als Modifikation wird vorgeschlagen,

Diese Lösung erzielt im Vergleich zum bisherigen Projekt sogar leicht kürzere Fahrzeiten im ICE-Verkehr Stuttgart - Ulm - München, da die sonst erforderliche Umwegfahrt über den Flughafen Stuttgart entfällt. Die Kapazität des verbesserten 16-gleisigen Kopfbahnhofes liegt um ca. 50% über der des geplanten nur 8-gleisigen Durchgangsbahnhofes, dessen knappe Kapazitäts-Bemessung in Fachkreisen häufig kritisiert wird. Im Vergleich zum Konzept "Kopfbahnhof 21" der Verbände VCD und BUND werden bei der von der VIEREGG-RÖSSLER GmbH vorgeschlagenen Modifikation größere Areale der heutigen Gleisfläche innerhalb des Stuttgarter Zentrums frei, da wie beim bisherigen Projekt "Stuttgart 21" der Abstellbahnhof nach Stuttgart-Untertürkheim verlagert und die Strecke Stuttgart Hbf - Stuttgart-Vaihingen aufgelassen werden kann.


Projekt 5: Neubaustrecke (Stuttgart -) Wendlingen - Ulm

Die bisherige Planung sieht von Wendlingen bis Ulm Hbf eine Neubaustrecke vor, die entlang der Autobahn A8 verläuft und hierbei die Schwäbische Alb quert. Am Nordrand dieses Mittelgebirges soll die geplante Trasse eine Höhendifferenz von 400 m bei ununterbrochener Maximalsteigung von 2,5% überwinden, was bei Fachleuten aus eisenbahn-betrieblicher Sicht auf große Bedenken stößt[Andersen, Sven: Neubaustrecke Stuttgart - Ulm realisierbar?, in: Eisenbahn-Revue International 8-9/2005, S. 368-369]. Doch noch schwerer wiegen die bautechnischen Probleme aufgrund der geologischen Bedingungen der Schwäbischen Alb, die überwiegend aus Karstgestein mit zahlreichen Höhlräumen besteht, welche teilweise sogar mit Wasser gefüllt sind. Dennoch sind hier Tunnels mit einer Gesamtlänge von 29 km geplant, was einen Tunnelanteil von fast 50% der Gesamtstrecke bedeutet.

Die Modifikation des Projekts durch die VIEREGG-RÖSSLER GmbH beinhaltet zwar wie die bisherige Planung eine überwiegend an die Autobahn A8 angelehnte Trasse, aber die maximale Steigung wird von 2,5% auf 4% angehoben wie bei der neuen ICE-Strecke von Köln nach Frankfurt. Hinzu kommen kleine, betrieblich und baulich jedoch sehr bedeutsame Änderungen der Linienführung. Dadurch kann die Länge der Tunnelstrecken von 29 km auf rund 5 km reduziert werden. Hydrogeologische Problembereiche werden vollständig vermieden. Des weiteren wird die aus eisenbahn-betrieblicher Sicht bedenkliche Länge der Steigungsrampe am Alb-Nordrand stark verkürzt. In einigen oberirdischen Teilabschnitten, insbesondere auf der Alb-Hochfläche, kann die bisherige Planung hingegen übernommen werden.


Projekt 6: Zweiter S-Bahn-Tunnel München

Zur Entlastung der stark frequentierten Münchner S-Bahn-Stammstrecke ist der Neubau einer zweiten Stammstrecke geplant. Hierfür ist vorgesehen, von Laim in den Münchner Osten einen neuen Tunnel mit zwei Stationen Hauptbahnhof und Marienplatz zu bauen, und zwar weitgehend parallel zum vorhandenen S-Bahn-Tunnel. Dieser zweite Tunnel verzweigt sich im Stadtteil Haidhausen in zwei Äste, die zum Ostbahnhof bzw. zum S-Bahnhof Leuchtenbergring führen. Insgesamt ergibt sich somit eine Tunnellänge von rund 9 km. Zur Vermeidung von Eingriffen in bestehende Bauwerke wurde für die beiden neuen Tunnelbahnhöfe wie auch für die Tunnelstrecke eine extreme Tieflage von 40 m gewählt, fast doppelt so tief wie die tiefsten U-Bahnhöfe in München. Dies führt nicht nur zu hohen Baukosten bei zugleich sehr hohen finanziellen Risiken, sondern schmälert auch den Nutzen der neuen Infrastruktur: Denn durch die langen Zu- und Abgangswege zwischen der Oberfläche und den tief liegenden Bahnsteigen entsteht für die Fahrgäste ein zeitlicher Mehraufwand gegenüber den heutigen S-Bahnhöfen, so daß der Zeitgewinn, den das neue S-Bahn-System durch etwas kürzere Fahrzeiten erbringen soll, wieder zunichte gemacht wird. Des weiteren bestehen auch sicherheitstechnische Bedenken gegenüber der extremen Tieflage.

Als bauliche Alternative zum bisherigen Projekt wird vorgeschlagen, eine neue 2-gleisige Strecke mit oberflächen-nahem Tunnel (Tieflage: 7 m bis max. 20 m) mit neuen S-Bahnhöfen Hauptbahnhof und Sendlinger Tor zu bauen ("City-Tunnel"). Diese neue Trasse wird erst östlich der Donnersbergerbrücke aus der vorhandenen S-Bahn-Strecke ausgefädelt und mündet im Stadtteil Au in den bestehenden, oberirdisch verlaufenden Eisenbahn-Südring ein, der bis zum Ostbahnhof 4-gleisig auszubauen ist. Dadurch reduziert sich die Tunnellänge auf lediglich 4,5 km, also um 50%.

Dieser zweite S-Bahn-Tunnel verläuft in etwa auf einer Trasse, die eigentlich für den im Rahmen von "München 21" vorgesehenen Regional- und Fernbahntunnel reserviert ist. Abgesehen davon, daß das Tunnel-Projekt "München 21" (6 bis 10-gleisiger Tiefbahnhof mit 400 m langen Bahnsteigen unter dem heutigen Hauptbahnhof) angesichts der finanziellen Engpässe bei Bund und DB AG gar nicht finanzierbar erscheint, wird dieses Vorhaben im Bereich Hauptbahnhof ohnehin durch den bislang geplanten zweiten S-Bahn-Tunnel verbaut, und zwar durch das "Nukleus" genannte Zugangsbauwerk, so daß die bislang freigehaltene Trasse von München 21 ohnehin zur Disposition freisteht.


Projekt 7: Transrapid München Hbf - Flughafen München

Es ist geplant, ab München Hbf über München-Feldmoching bis Flughafen München eine neue 2-gleisige Trasse in Magnetbahn-Technik ("Transrapid") zu bauen, die im Stadtgebiet München und im Gelände des Flughafens weitgehend im Tunnel verläuft und sonst in grober Annäherung der Autobahn A92 folgt. Den Start- bzw. Endpunkt dieser Magnetbahn-Strecke bilden die neu zu bauenden Tunnelbahnhöfe Hauptbahnhof und Flughafen, zwischen denen die Fahrzeit in beiden Richtungen exakt 10 Minuten betragen soll, wobei die fahrplanmäßige Geschwindigkeit bei 350 km/h liegt.

Als Ersatz für dieses Projekt wird eine Verbindung in Rad-Schiene-Technik ("Express-S-Bahn") vorgeschlagen. Dieses Alternativkonzept, das von der VIEREGG-RÖSSLER GmbH bereits im Rahmen von zwei anderen Studien ausgearbeitet wurde,[Dr. Jakob Kandler Wirtschaftsberatung / VIEREGG-RÖSSLER GmbH Innovative Verkehrsberatung: Stellungnahme zur Machbarkeitsstudie "Transrapid München - Flughafen", Endbericht, Auftraggeber: Fraktion Bündnis 90 / DIE GRÜNEN im Bayerischen Landtag, August 2002, S.43; Machbarkeitsuntersuchung für eine Schnellverbindung in Rad-Schiene-Technik von München zum Flughafen München als Alternative zur Magnetschnellbahn, Auftraggeber: Stadt Unterschleißheim, Gemeinde Oberschleißheim, Gemeinde Eching, Gemeinde Neufahrn, November 2003, S.12ff] umfaßt von München-Feldmoching bis nordöstlich Neufahrn eine 2-gleisige Neubaustrecke für hohe Geschwindigkeiten (230 km/h) in exakter Bündelung mit der Autobahn A92. Bei Neufahrn (südlich Freising) mündet diese neue Trasse in die vorhandene Strecke der Flughafen-S-Bahn ein. Im Abschnitt München Hbf - München-Feldmoching benutzt der Airport-Express die bereits vorhandene Eisenbahnstrecke, die von München-Fasanerie bis München-Feldmoching zwei zusätzliche Gleise erhält.

Die beschriebene Lösung eignet sich nicht nur dafür, eine Express-S-Bahn zwischen den beiden Endpunkten München Hbf und Flughafen München zu betreiben. Vielmehr wird es durch diese neue Infrastruktur auch möglich, ICE-(Halb-) Züge, die sonst bereits im Hauptbahnhof enden oder hier erst starten würden, bis zum Flughafen durchzubinden. Der Münchener Hauptbahnhof ist in diesem Fall nur noch ein ICE-Zwischenhalt - allerdings mit Fahrtrichtungswechsel - so daß Fluggäste, die per ICE zum Flughafen anreisen bzw. nach der Landung per ICE weiterreisen wollen, das umständliche, unbequeme und zeitraubende Umsteigen in München Hbf erspart bleibt. Deshalb kann bei dieser Lösung mit einem deutlich höheren Fahrgastaufkommen als beim Transrapid gerechnet werden.

Beim Einsatz des ICE (Höchstgeschwindigkeit: 230 km/h) wird ab Hauptbahnhof eine Fahrzeit von 15 Minuten erzielt, also nur 5 Minuten länger als beim Transrapid. Die Fahrt mit der Express-S-Bahn, ebenfalls mit einer Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h, aber mit einem Zwischenhalt in Feldmoching, dauert lediglich 17 Minuten ab Hauptbahnhof.

Dieses Konzept unterscheidet sich ganz grundsätzlich vom Vorschlag der Stadt München für den "MAEX" (Münchner Airport-Express), für den zum einen der umstrittene zweite S-Bahn-Tunnel (vgl. Projekt 6) die Voraussetzung ist und der zum anderen eine relativ umwegige Linienführung über den Osten Münchens haben soll, so daß die Fahrzeit München Hbf - Flughafen rund 25 Minuten betragen wird - 8 bis 10 Minuten länger als die oben dargestellte Lösung.


Anhang: Zur Methodik der Aktualisierung von Baukosten

Für die Ermittlung aktualisierter Baukosten wurde im wesentlichen auf Erfahrungen mit vergleichbaren und möglichst gegenwartsnah abgeschlossenen Projekten zurückgegriffen. Im Zweifelsfall wurden eher niedrigere Kostenansätze verwendet, um den zum Teil ohnehin gravierenden Anstieg der Baukosten als Folge der Aktualisierung noch relativ moderat erscheinen zu lassen, also im Prinzip eine "Best-Case"-Kalkulation. Geologische Komplikationen beim Tunnelbau wurden nicht unterstellt.

(1) Ausbaustrecke Berlin - Dresden

Zwischen Berlin und Dresden müssen sowohl beim bisherigen Vorschlag über Elsterwerda als auch beim alternativen Vorschlag über Jüterbog - Riesa bestehende, zum Teil sehr sanierungsbedürftige Strecken für hohe Geschwindigkeiten ausgebaut werden. Hierfür gibt es geeignete Erfahrungswerte beim inzwischen abgeschlossenen Ausbau der Strecken Berlin - Leipzig und Berlin - Hamburg.

(2) Neubaustrecke Erfurt - Leipzig/Halle
(3) Aus- und Neubaustrecke Nürnberg - Ebensfeld - Erfurt

Für das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8.1 und 8.2 wurden die Kostenansätze aus dem Bundesverkehrswegeplan 2003 übernommen, aber der noch aus 1991 stammende Preisstand wurde mit einer jährlichen Preissteigerungsrate von 2,5% auf 2006 aktualisiert, was zu einer Erhöhung der Kosten um knapp 50% führt. Von besonderen geologischen Schwierigkeiten beim Tunnelbau wird nicht ausgegangen.

(4) Stuttgart 21 incl. Neubaustrecke Stuttgart - Ulm bis Wendlingen
(5) Neubaustrecke Stuttgart - Ulm ab Wendlingen

Auch die Kosten der Projekte Stuttgart 21 und Neubaustrecke Stuttgart - Ulm wurden seit Beginn der Planungen nicht mehr aktualisiert. Mit der inzwischen fertiggestellten Neubaustrecke Ingolstadt - Nürnberg durch die Fränkische Alb liegen nun Erfahrungswerte bzgl. Kosten von Tunnels im Karstgebirge mit Höhlen vor. Zur Ermittlung der Kosten des Tunnelbaus wurde das Tunnelausbruchsvolumen in Kubikmeter der Strecke Ingolstadt mit den Stuttgarter Projekten in Relation gesetzt. Hierbei bleibt unberücksichtigt, daß bei der Schwäbischen Alb im Unterschied zur Fränkischen Alb mit erheblichen hydrogeologischen Problemen zu rechnen ist. Zwar dürfte die Geologie im Bereich des Stuttgarter Talkessels möglicherweise leicht vorteilhafter für einen Tunnelbau sein als bei der Fränkischen Alb, aber dafür befinden sich häufig Gebäude unmittelbar über den Tunnels, so daß der Vortrieb schwieriger ist als außerhalb der Bebauung. In der Summe erscheint die Verwendung der bei der Neubaustrecke Ingolstadt - Nürnberg erhobenen Kostenpauschalen zweckmäßig zu sein.

(6) Zweiter S-Bahn-Tunnel München

Die letzte offizielle Kostenschätzung für den 2. S-Bahn-Tunnel wird übernommen.

Beim Alternativ-Konzept "City-Tunnel" werden die Einsparungen aufgrund der kürzeren Tunnellänge und der oberflächennahen Trassenführung berechnet.

(7) Transrapid München Hauptbahnhof - Flughafen München

Für den Transrapid liegen in Deutschland keinerlei Erfahrungen bzgl. der Baukosten vor. Deshalb ist es angebracht, die Baukosten des Transrapid in Shanghai zu analysieren und auf deutsche Verhältnisse umzurechnen. Für den Münchner Transrapid gibt es im Vergleich zur chinesischen Strecke zwei kostensteigernde Aspekte: zum einen die höheren Löhne der mit diesem Bauwerk beschäftigten Fachleute und Arbeiter und zum anderen Tunnelstrecken und Tunnelbahnhöfe, während der Transrapid in Shanghai eine ausschließlich oberirdische und somit kostengünstigere Trassenführung hat. Die Tunnelbaukosten des Transrapids in München werden in der üblichen Weise wie bei Eisenbahnstrecken kalkuliert.

In den angegebenen Kosten sind keine Fahrzeuge enthalten.

Bezüglich der alternativen Rad-Schiene-Lösung entlang der A92 liegt für den größten Teil der Strecke eine detaillierte Kostenkalkulation vor (Stand 2003), die auf den Preisstand 2006 hochgerechnet wurde.