Homepage zurück vorwärts Inhalt Stichwörter

Kurzfassung

In der öffentlichen Diskussion wachsen die Zweifel an der bisher angenommenen Wirtschaftlichkeit der geplanten Transrapid-Anwendungsstrecke Hamburg - Berlin. Deshalb führte die VIEREGG-RÖSSLER-BOHM GmbH im Auftrag von ROBIN WOOD e.V. eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zum Transrapid-Vorhaben Hamburg - Berlin durch. Hierbei handelt es sich um eine isolierte Betrachtung des Magnetbahn-Projekts aus Sicht von Investoren und Betreiber.

Aufgabenstellung der Untersuchung

Ausgehend von den Daten zum Schienenpersonenfernverkehr im Szenario H des Bundesverkehrswegeplans 1992 (BVWP'92) war zum einen das Verkehrsaufkommen des Transrapid im Jahr 2010 zu ermitteln. Hierbei waren realistische Rahmenbedingungen für den Verkehr zwischen Hamburg und Berlin anzunehmen, wie z.B. weiterhin geringfügiger Flugverkehr, Autobahnverkehr ohne Tempolimit und ohne Gebühren, möglicherweise privater schneller Eisenbahnfernverkehr parallel zum Transrapid sowie privater Linienverkehr mit Omnibussen. Aus dieser Prognose des Fahrgastaufkommens sowie der entsprechenden Verkehrsleistung waren sodann die erzielbaren Erlöse bei marktüblichen Fahrpreisen zu berechnen.

Zum anderen war eine möglichst lückenlose und realitätsgerechte Kalkulation der Investitionen der Fahrwegweggesellschaft und der Investitionen der Betriebsgesellschaft sowie der Kosten des laufenden Betriebs durchzuführen, insbesondere unter Berücksichtigung auch solcher Kostenbestandteile, die im offiziellen Finanzierungskonzept möglicherweise ausgeklammert blieben.

Kosten der Transrapid-Verbindung Hamburg - Berlin

Die Berechnungsbasis der Investitionskosten bilden Erfahrungswerte der DB AG beim Bau von Eisenbahn-Neubaustrecken. Für jede Kostenkategorie wurde geprüft, inwieweit beim Transrapid niedrigere, vergleichbar hohe oder höhere Kosten als für eine Rad-Schiene-Strecke anfallen werden.
Tab. 1: Investitionskosten in Mio. DM
FahrweggesellschaftBetriebsgesellschaft
bislang
veran-
schlagt
aktuellbislang
veran-
schlagt
aktuell
Fahrweg und Sonderbauwerke43978529--
Tragschiene für Langstator616616--
Kabelwicklung Langstator--345345
Grunderwerb255365--
Weichen109109--
Energieanlagen--12702375
Gebäude inkl. Parkhäuser--426676
Betriebsleittechnik--282282
Fahrzeuge--720855
Projektmanagement245245245245
-------------------------
Summen:5622986432884778

Wie Tab. 1 zeigt, erhöhen sich die Investitionen der Fahrweggesellschaft - ohne die Finanzierungskosten während der Bauzeit - von 5,6 auf rund 9,9 Mrd. DM, was eine Steigerung um 76% bedeutet. Die Betriebsgesellschaft muß mit einer Kostensteigerung ihrer Investitionen von 3,3 Mrd. DM auf 4,8 Mrd. DM, also um 45%, rechnen. Beide aktualisierten Beträge stellen untere Eckwerte dar, da mangels Datenbasis einige Kostenkategorien nicht kalkulierbar waren.

Für die ermittelte drastische Kostensteigerung auf seiten der Fahrweggesellschaft gibt es zwei Gründe:

Bei den Investitionen, die die Betriebsgesellschaft übernimmt, müssen die Kosten für Energieanlagen gegenüber der bisherigen Kalkulation nahezu verdoppelt werden, da der bisherige Kostenansatz unter dem der Energieanlagen für Eisenbahn-Neubaustrecken liegt, was nicht plausibel ist: Für den energieaufwendigen Transrapid mit seinen extrem hohen Lastspitzen muß etwa die doppelte elektrische Leistung wie bei einer ICE-Strecke bereitgestellt werden. Außerdem ist der Schaltungsaufbau in den Transrapid-Unterwerken ungleich komplizierter als bei vergleichbaren Unterwerken der Eisenbahn.

Zu den bisher genannten Aufwendungen für den Fahrweg und die Betriebsanlagen kommen auch noch Zinsen zur Finanzierung während der Bauzeit in Höhe von 1,0 Mrd. DM hinzu. Die gesamten Investitionskosten für Fahrweg- und Betriebsgesellschaft zusammen belaufen sich somit nicht, wie bisher angenommen, auf rund 8,9 Mrd. DM, sondern auf rund 15,8 Mrd. DM und stellen immer noch einen unteren Eckwert dar. Unterstellt man Betriebs- und Sicherheitsstandards wie bei der Eisenbahn üblich, so erhöht sich dieser Betrag nochmals um bis fast 2 Mrd. DM auf bis zu 17,5 Mrd. DM. Doch selbst hier sind noch einige Kostenkategorien nicht enthalten, deren Ermittlung sehr schwierig ist: Beispielsweise ist die vom Gesetzgeber geforderte Lärmsanierung von Eisenbahn-Bestandsstrecken, die vom Transrapid tangiert werden, in der vorliegenden Rechnung noch unberücksichtigt. Die Investitionskosten tendieren insgesamt in Richtung 20 Mrd. DM.

Auch bei den laufenden Kosten für den Betrieb ergeben sich höhere Kosten als bisher angenommen.
Tab. 2: Jährliche Betriebskosten in Mio. DM
bislang
veran-
schlagt
aktuell
Abfertigung6262
Zugbildung und Zugförderung2637
Energiekosten8888
Instandhaltung Fahrzeuge1818
Instandhaltung Anlagen9131
Ersatzstoffe2323
Versicherungen1717
------------
Summe243376

Hier ist insbesondere in der Kategorie "Instandhaltung Anlagen" mit höheren Kosten zu rechnen, als bisher veranschlagt wurde. Die Instandhaltungskosten des Fahrweges wurden nämlich bislang um mehr als den Faktor 10 unterschätzt.

Insgesamt summieren sich diese Mehrkosten beim laufenden Betrieb auf einen Wert von weit über 100 Mio. DM pro Jahr. Dies entspricht einer Steigerungsrate von rund 55% gegenüber dem ursprünglichen Ansatz. Doch auch für diese Betriebskosten gilt: Die aktualisierten Beträge sind als untere Eckwerte zu betrachten, weil wegen fehlender Daten einige Kostenkategorien nicht überprüft werden konnten.

Prognose des Fahrgastaufkommens

Die Prognosen der Institute IWW, TUKAN et al. (Projektleitung bzw. Projektbegleitung: Prof. Rothengatter, Karlsruhe) dehnten den Einzugsbereich des Transrapid aufgrund falscher Fahrzeitdaten bis zum Ruhrgebiet aus, was zu einem stark überhöhten Fahrgastaufkommen führte. In Wirklichkeit wird hingegen auch zukünftig die ICE-Fahrt vom Ruhrgebiet nach Berlin auf direktem Weg über Hannover rund eine 3/4 Stunde schneller sein als mit dem Transrapid auf dem 170 km langen Umweg über Hamburg.

Auch die Prognosen von Intraplan Consult erscheinen stark korrekturbedürftig: Das Verkehrsaufkommen im Bezugsfall ("Ohne Transrapid"), das die Basis für die Transrapid-Prognosen darstellt, scheint zu einem erheblichen Anteil auch solche Eisenbahn-Fahrgäste zu enthalten, die nur auf relativ kurzen Teilabschnitten, beispielsweise Büchen - Wittenberge, und gar nicht auf der Gesamtstrecke Hamburg - Berlin unterwegs sind. Sie kommen für den Transrapid niemals in Frage, sind also "nicht-transrapid-affin" und dürfen deshalb für die Planfälle ("Mit Transrapid") gar nicht berücksichtigt werden.

Die bisher sowohl von IWW als auch von Intraplan ermittelten rund 15 Mio. Fahrgäste pro Jahr zwischen Hamburg und Berlin sind somit auf Rechenfehler und fundamentale Irrtümer zurückzuführen und nach unten zu korrigieren, selbst wenn an den unrealistischen Rahmenbedingungen (hohes Wirtschaftswachstum, keine Konkurrenz zum Transrapid) festgehalten wird.

Weitere Unzulänglichkeiten der bisherigen Prognosen sind: Es wurde angenommen, daß zwischen Hamburg und Berlin kein konkurrierender Eisenbahn-Fernverkehr mehr stattfindet. Des weiteren wurde der Omnibusverkehr vollkommen ignoriert.

Die durch Intraplan Consult für die Relationen Hamburg - Schwerin, Hamburg - Berlin und Schwerin - Berlin bezogen auf 2010 zuvor prognostizierten Fahrgastzahlen wurden um die nicht-transrapid-affinen Fahrgäste bereinigt, um korrekte Ausgangsdaten zu erhalten.

Diese Ausgangsdaten wurden mit Hilfe einer mathematischen Formel verrechnet, in welche die erzielbaren Fahrzeitverkürzungen durch den Transrapid gegenüber der Eisenbahn einfließen (vgl. Breimeier, Rudolf: Zeit ist Geld - auch im Personenverkehr der Eisenbahn, in: Die Bundesbahn 9/1991, S. 883 ff; Vieregg, Martin: Effizienzsteigerung im Schienenpersonenfernverkehr, München 1995, S. 237 ff). Dieser Formel liegt eine einfache, aber plausible Überlegung zugrunde: Je größer die Fahrzeitverkürzung ist, desto mehr Personen fahren mit dem betreffenden Verkehrsmittel. Als Ergebnis erhält man so die Zahl der Reisenden nach erfolgter Fahrzeitreduktion.

In einem ersten Prognoseschritt wurde davon ausgegangen, daß der Eisenbahn-Fernverkehr im Korridor Hamburg - Berlin (IC-/ICE-Züge) ganz eingestellt wird und ein Wirtschaftswachstum von 1988 bis 2010 um 90% eintritt, was jedoch wenig realistisch ist. Die Zahl der vom Transrapid jährlich geleisteten Personenkilometer liegt in diesem Szenario bei 3,24 Mrd. und die durchschnittliche Querschnittsbelastung der Transrapid-Strecke beträgt in diesem wenig realistischen Fall rund 11 Mio. Fahrgäste pro Jahr, also knapp ein Drittel niedriger als bei den bisherigen Prognosen.

In einem zweiten Schritt wurden, entsprechend dem Untersuchungsauftrag, realistische Rahmenbedingungen zugrunde gelegt, indem die Wirtschaftsprognosen für das Jahr 2010 der inzwischen stattgefundenen Entwicklung angepaßt werden. Nun betragen die geleisteten Personenkilometer nur noch knapp 2,5 Mrd. und die durchschnittliche Querschnittsbelastung liegt bei lediglich 8,3 Mio. Fahrgästen pro Jahr, also nur ungefähr die Hälfte dessen, was beim Finanzierungskonzept angenommen wurde.

Im letzten Prognoseschritt wurde nun unterstellt, daß der Personenfernverkehr auf der Schiene im Korridor Hamburg - Schwerin - Berlin von privaten Anbietern weiter betrieben wird, so daß eine Konkurrenz zum Transrapid im spurgebundenen Verkehr besteht. Die durchschnittliche Querschnittsbelastung der Transrapid-Strecke sinkt bei diesem Szenario auf nur noch gut 4 Mio. Fahrgäste im Jahr 2010 bei 1,2 Mrd. Personenkilometern Verkehrsleistung. Dieser Wert stellt gegenüber den offiziellen Fahrgastprognosen eine Viertelung des Verkehrsaufkommens dar.

Erlöse der Transrapid-Verbindung Hamburg - Berlin

Anders als beim überhöhten Fahrpreis des offiziellen Finanzierungskonzepts, das 0,28 DM pro Personenkilometer unterstellte, wurde ein Kilometerpreis von rund 0,15 DM entsprechend dem Durchschnittstarif im Eisenbahnfernverkehr zugrunde gelegt. Dieser Fahrpreis bezieht sich auf das Jahr 1993 - dem Preisstand, dem auch sämtliche Kostenberechnungen zugrunde liegen.

Beim Szenario mit einem unrealistisch hohen Wirtschaftswachstum liegen die erzielbaren Erlöse bei 486 Mio. DM pro Jahr. Werden diese aus der Zeit der "Wiedervereinigungs-Euphorie" stammenden Prognosen den tatsächlichen wirtschaftlichen Entwicklungen angepaßt, so reduzieren sich die Erlöse um 30% auf 340 Mio. DM. Für den wahrscheinlichen Fall, daß der Transrapid im Schienenfernverkehr Hamburg - Schwerin - Berlin durch Anbieter mit niedrigeren Fahrpreisen Konkurrenz erhält, werden nur noch die reisezeit-sensiblen Fahrgäste die Magnetbahn benutzen. Die Transrapid-Betriebsgesellschaft kann in diesem Fall jedoch die Preise deutlich anheben, da die preis-sensiblen Reisenden ohnedies mit den billigeren Zügen fahren werden. Im Falle einer Fahrpreisverdopplung auf 0,30 DM pro Kilometer sind somit die gleichen Erlöse wie bei der Monopolstellung des Transrapid-Anbieters bei gemäßigten Fahrpreisen erzielbar. Es ist somit möglich, daß mit dem Auftreten von Konkurrenz sich für die Transrapid-Betriebsgesellschaft die Erlössituation nicht zwangsweise verschlechtert; die Tendenz weiterer Erlöseinbrüche bleibt jedoch bestehen.

Wirtschaftlichkeit des Transrapid-Vorhabens

Im Fall eines unrealistisch hohen Wirtschaftswachstums übersteigen die Fahrkartenerlöse in Höhe von 486 Mio. DM pro Jahr die Betriebskosten, welche 376 Mio. DM pro Jahr betragen. Der so erzielbare Deckungsbeitrag für die Investitionskosten liegt bei 110 Mio. DM. Selbst in diesem nicht als "best-case", sondern eher als "phantasy-case" zu bezeichnenden Szenario erhalten die privaten Anleger der Fahrweggesellschaft keine Dividende bzw. keinen Zins, und die vereinbarte jährliche Zahlung von 138 Mio. DM der Betriebs- an die Fahrweggesellschaft kann nur zu rund 80% erfüllt werden.

Wenn man von einem den tatsächlichen Entwicklungen entsprechenden Wirtschaftswachstum ausgeht, so ist mit jährlichen Erlösen durch den Transrapid-Verkehr in Höhe von nur noch 340 Mio. DM zu rechnen. Dem stehen weiterhin jährliche Betriebskosten in Höhe von 376 Mio. DM gegenüber, die nur noch zu 90% von den Erlösen gedeckt werden. Das bedeutet, daß allein der Betrieb der Transrapid-Strecke jedes Jahr einen Zuschußbedarf von bis zu 40 Mio. DM erfordert. Für diesen Betrag wird wohl der Steuerzahler zur Kasse gebeten werden.

Eine Verzinsung des eingesetzten Kapitals ist weder auf seiten des Steuerzahlers noch auf seiten der privaten Investoren möglich. Somit wird das bislang favorisierte Finanzierungsmodell mit privater Beteiligung illusorisch sein, da private Gelder ohne die Aussicht auf Dividenden bzw. Zinsen nicht verfügbar gemacht werden können. Der Bund und somit der Steuerzahler muß also die gesamten Investitionskosten von Fahrweg- und Betriebsgesellschaft übernehmen und sogar laufend Gelder zur Aufrechterhaltung des Betriebs zuschießen. Die gesamten Investitionen des Transrapid in Höhe von mindestens 15,8 Mrd. DM (Preisstand 1993) sind somit über eine Neuverschuldung der öffentlichen Hand zu finanzieren.

Gründe für die Unwirtschaftlichkeit des Vorhabens

Diese mangelhafte Wirtschaftlichkeit, deren Ausmaß sehr überrascht, kommt aller Wahrscheinlichkeit nach zustande durch

Obwohl zwischen den beiden größten deutschen Städten bei vordergründiger Betrachtung das Reisendenpotential sehr hoch sein müßte, fehlt dem Transrapid bei weitem ein ausreichendes Verkehrsaufkommen zur Erreichung der Wirtschaftlichkeit. Für die Anzahl der Fahrgäste ist nämlich nicht allein die Bevölkerungszahl der zu verbindenden Städte entscheidend, sondern auch die Entfernung dieser beiden Städte voneinander: Der Fahrgaststrom zwischen Quelle und Ziel nimmt mit dem Quadrat der Entfernung ab.

Grundsätzlich muß bezweifelt werden, ob das magnetische Schweben im Fernverkehr überhaupt sinnvoll ist. Denn die geplante Transrapid-Trasse mit ihren hohen Investitionskosten ist auf hohe Erlöse und somit auf große Fahrgastströme angewiesen, die jedoch nur auf kurzen Entfernungen vorhanden sind und gerade nicht über Hunderte von Kilometern. Andererseits läßt sich die hohe Auslegungsgeschwindigkeit dieses Verkehrsmittels nur über große Distanzen sinnvoll nutzen. Hier zeigt sich ein systemimmanenter, unlösbarer Widerspruch.
Für das Einsatzgebiet Nahverkehr kann diese fundamentale Kritik hingegen nicht aufrechterhalten werden. Deshalb zeichen sich möglicherweise zwei Marktnischen für das magnetische Schweben als Verkehrssystem ab: zum einen in Form eines "Mini-Transrapid" als Flughafen-Zubringer und zum anderen als echtes innerstädtisches Nahverkehrsmittel, das in Form der Berliner M-Bahn bereits für wenige Jahre auf einer kurzen Strecke fuhr, aber ganz im Schatten der spektakulären Transrapid-Technik stand. Dieses System hätte wirtschaftlich interessante Eigenschaften zu bieten, beispielsweise den geringen Raumbedarf, der im Vergleich zu herkömmlichen U-Bahnen zu niedrigeren Baukosten für Tunnelstrecken führt, oder das im Vergleich zu städtischen Schienenfahrzeugen fast lautlose Fahren. Es ist bedauerlich, daß dieses weitaus exportträchtigere System nur wenig politische Beachtung findet.

Homepage vorwärts Inhalt Stichwörter